4.2.2 Arbeits­or­ga­ni­sa­tion

Arbeits­zeit

Die Pro­duk­tion läuft in einem kon­ti­nu­ier­li­chen vor­wärts­ro­tie­ren­den Drei-Schicht-Modell in 8-Stun­den-Schich­ten (Früh/Spät/Nacht) sowie par­al­lel in einem Wech­sel­schicht­mo­dell ohne Nacht­schicht. Dar­über hinaus werden zehn Teil­zeit­mo­delle in Schicht­ar­beit und zahl­rei­che Teil­zeit­mo­delle in Nor­mal­schicht rea­li­siert, um auf indi­vi­du­elle Bedürf­nisse der Beschäf­tig­ten so gut wie mög­lich ein­zu­ge­hen. Zusätz­lich wird ver­sucht, neben fest­ste­hen­den Model­len auch indi­vi­du­elle Modelle zu ermög­li­chen. Wenn es per­sön­li­che Umstände erfor­dern (eigene Gesund­heit, Pflege von Ange­hö­ri­gen o.ä.), gibt es die Mög­lich­keit, für ein Jahr befris­tet in Wech­sel­schicht zu gehen. Es gibt ein Kon­tin­gent an Wech­sel­schich­ten, das durch zeit­li­che Befris­tung und Wech­sel immer wieder ande­ren Beschäf­tig­ten die Mög­lich­keit gibt, ohne Nacht­schicht zu arbei­ten. Es wurden ver­schie­dene Schicht­mo­delle erprobt. Nach einer Phase mit 12-Stun­den-Schich­ten stieg der Kran­ken­stand, so dass auf ein 8-Stun­den-Modell zurück­ge­gan­gen wurde. Dies erwies sich für die Gesund­heit der Beschäf­tig­ten als zuträg­li­cher. Die Wochen­ar­beits­zeit liegt bei 36 Stun­den und die Beschäf­tig­ten haben Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr.

Hin­sicht­lich sozia­ler Ver­träg­lich­keit bei Schicht­ar­beit ist viel pas­siert, Rück­gang von 12h- auf 8h-Schicht­mo­del­len, Son­der­schicht­mo­delle für Ältere. (Inter­view 2)

Wir haben sehr kom­plexe Teil­zeit­sys­teme. Wir haben Schicht­ar­beit in Teil­zeit, Nor­mal­schicht in Teil­zeit. Haben alleine in der Schicht­ar­beit 10 Teil­zeit­mo­delle, in der Nor­mal­schicht unend­li­che viele Teil­zeit­mo­delle. (Inter­view 4)

Die Fle­xi­bi­li­sie­rung des Schicht­sys­tems war auch Folge der Auto­ma­ti­sie­rung – so soll den Bedürf­nis­sen der klei­ner gewor­de­nen Teams bei der Ein­satz­pla­nung gerecht werden.

Zeit- und Leistungsdruck

Art und Ursa­che von Zeit- und Leis­tungs­drucks haben sich ver­än­dert. Da die Bestü­ckung der Anla­gen von Hand erfolgte, waren die Beschäf­tig­ten auch dafür ver­ant­wort­lich, wie schnell eine Anlage be- und ent­la­den wurde. Im Laufe der letz­ten Jahre, auch schon vor der Auto­ma­ti­sie­rung, wurden die Durch­lauf­zei­ten immer kürzer, die Anzahl der Anla­gen größer und damit der Zeit­druck höher.

Das ist etwas, wo man auch schon manch­mal gehört hatte von den Mit­ar­bei­tern, dass sie durch­aus froh sind, dass sie das nicht mehr erle­ben muss­ten. Diese kurzen Pro­zess­zei­ten unter dem Stress […] Als ich anfing, hatte ein Mit­ar­bei­ter vier Öfen zu bela­den aber ohne Auto­ma­ti­sie­rung ist das auch lang­sam auf fünf, sechs gestie­gen, also die muss­ten dann auch schon immer mehr. (Inter­view 7)

Neben der Ein­stel­lung der Lose war die Ein­gabe von Daten in die Anlage manu­ell erfor­der­lich, was mit zuneh­men­der Durch­lauf­zahl eine wei­tere Belas­tung darstellte.

Team­lei­ter und Fach­kräfte, die in der Linie waren haben gesagt, dass sie bestimmte Abläufe, alles ein­tip­pen, dass sie das nicht mehr schaf­fen könn­ten, wenn das nicht durch diesen Auto­ma­tis­mus, ich stell alles drauf, der liest den Tag, der meldet das an und macht den ganzen Kram für mich, ohne dass ich tippen muss. Die haben alles ein­ge­ge­ben, muss­ten dabei noch Obacht geben, rich­tige Kenn­num­mer, wie viel Schei­ben drin sind, darfst du nichts ver­wech­seln. (Inter­view 7)

Ein wei­te­rer Aspekt von Leis­tungs­druck ist im großen finan­zi­el­len Wert eines Loses zu sehen. Manu­el­ler Trans­port und Bestü­ckung der Anla­gen waren immer auch mit dem Risiko ver­bun­den, ein Los fallen zu lassen und damit einen finan­zi­el­len Scha­den anzu­rich­ten. Auch können durch die Auto­ma­ti­sie­rung und Rück­kopp­lung mit dem System Fehler der Beschäf­tig­ten (z. B. bei der Ein­gabe von Infor­ma­tio­nen in die Anla­gen; Ver­ges­sen von Teil­schrit­ten) ver­mie­den werden, was als Ent­las­tung erlebt werden kann.

weil die Fens­ter, wo sie die Lose rein­stel­len müssen, sehr klein sind. Man muss aber auch Obacht geben beim Hand raus­zie­hen, da sind Lose oft mal run­ter­ge­fal­len. Nicht schön aber man kann man den Leuten aber kein Vor­wurf machen, weil die Maschine von der Ergo­no­mie her ganz gru­se­lig gestal­tet ist. (Inter­view 7)

Auch wenn mich das System darauf hin­weist, ich hab es jetzt auf die fal­sche [Anlage] gestellt, dass das nicht alleine star­tet. Das ich keinen Fehler mehr machen kann. Also auch das haben die Leute am Ende doch als posi­tiv auf­ge­fasst. (Inter­view 7)

Die Bestü­ckung über­neh­men jetzt die Robo­ter. Leis­tungs­druck ist den­noch da und wird durch die Auto­ma­ti­sie­rung mög­li­cher­weise größer. Zum einen weil dieses kom­plexe tech­ni­sche System zen­tral für den Pro­duk­ti­ons­pro­zess ist und dafür gesorgt werden muss, es am Laufen zu halten. Zum ande­ren pro­du­ziert die Auto­ma­ti­sie­rung kon­ti­nu­ier­lich hohe Takt- und Durch­lauf­zei­ten, an die sich die Beschäf­tig­ten anpas­sen müssen.

Was ich mir vor­stel­len kann, ist eine Annahme mei­ner­seits, aber dadurch, dass die Auto­ma­ti­sie­rung immer weiter fort­schrei­tet und damit natür­lich immer einen grö­ße­ren Ein­fluss auf den eigent­li­chen Fer­ti­gungs­fluss hat, dass alle die, die in irgend­ei­ner Weise invol­viert sind in die War­tung, Instand­hal­tung, Betrieb dieses Sys­tems unter einem gewis­sen Druck stehen. D.h. ich muss das System immer siche­rer machen und im Falle eines Aus­falls muss der erste Schritt auch sitzen, damit die Aus­wir­kun­gen auf die Fer­ti­gung so gering wie mög­lich sind. Hinter jeder Fer­ti­gung steht ein Kunde. Wir haben ja feste Ver­träge, feste Lie­fer­ter­mine. Und danach wird unsere Fer­ti­gung gesteu­ert. (Inter­view 6)

Neuer Leis­tungs­druck ent­steht auch durch die Not­wen­dig­keit, Ent­schei­dun­gen zu treffen.

Aber der Druck, der noch da ist, ist in dem Über­wa­chungs­auf­wand. Stän­dig den Blick darauf haben, tut meine Anla­gen wirk­lich das, was sie tun soll. Und wenn sie es nicht tut, treffe ich die rich­tige Ent­schei­dung, damit sie es wieder tun kann. Da können schon Druck­si­tua­tio­nen oder anspruchs­volle Situa­tio­nen für ein­zelne Per­so­nen manch­mal ent­ste­hen oder das Thema Angst vor Feh­lern, dass ich jetzt gerade bei neuen Sys­te­men die rich­tige Ent­schei­dung treffe.

Dabei spielt der Kos­ten­druck eine ent­schei­dende Rolle. Wenn­gleich die Lose nicht mehr aus der Hand fallen können, bleibt der finan­zi­elle Druck erhalten:

Jede Minute ist viel Geld. Wenn die Maschine nicht bela­den wird und das Mate­rial steht da, aber der Robo­ter hat ein Pro­blem. Das heißt, es muss so schnell wie mög­lich reagiert werden, um den Zeitverlust/Kapazitätsverlust zu mini­mie­ren. Der wird nicht zurück­ge­holt, die Zeit ist vorbei. Je teurer die Maschine/Anlage ist, umso wert­vol­ler ist die Minute oder Stunde. Die Leute wissen das, sie sind unter dem Gesamt­druck. (Inter­view 7)

Per­for­mance-Daten werden team­be­zo­gen, nicht per­so­nen­be­zo­gen aus­ge­wer­tet. Zeit­vor­ga­ben gibt es nicht, auch kein Leis­tungs­ent­gelt. Aller­dings wird Leis­tungs­er­brin­gung der Mitarbeiter*innen ver­gli­chen und ggf. durch Füh­rungs­kräfte hinterfragt.

Außer­dem hat eine Ver­dich­tung von Auf­ga­ben hat statt­ge­fun­den, es werden inzwi­schen fast dop­pelt so viele Anla­gen bedient wie vor der Automatisierung.

Für Groß­teil der Mann­schaft ist es „nor­ma­les Tages­ge­schäft“, dass sie Anla­gen zu warten und Ent­schei­dun­gen zu tref­fen haben aber die Anzahl der Anla­gen, die sie betreuen müssen hat deut­lich zuge­nom­men (Inter­view 2)

Mehr Feu­er­wehr­ak­tio­nen, also von einer Stö­rung zur ande­ren rennen und damit keine Zeit für sys­te­ma­ti­sche Feh­ler­ana­lyse (Inter­view 2)

Dies hat auch für die War­tung und Instand­hal­tung Kon­se­quen­zen, die mehr Anla­gen als früher zu betreuen haben.

Nicht zu ver­ges­sen ist im Zusam­men­hang mit Zeit- und Leis­tungs­druck die Phase der Umstel­lung selbst, die durch einen Mehr­auf­wand an Arbeit gekenn­zeich­net war.

Stö­run­gen und Unterbrechungen

Die Mensch-Maschine-Inter­ak­tion läuft nicht immer rei­bungs­los. So treten Stö­run­gen auf, wenn bei­spiels­weise der Inter­ak­ti­ons­raum der Robo­ter durch den Men­schen beein­träch­tigt wurde und es zum kurz­zei­ti­gen Ste­hen­blei­ben kommt. Auch Strom­schwan­kun­gen, auf die die Anla­gen sehr emp­find­lich reagie­ren, sowie tech­ni­sche Defekte können zu Stö­run­gen führen. Das Beson­dere ist, dass Stö­run­gen nicht die eigent­li­che Arbeit des Beschäf­tig­ten in der Linie unter­bre­chen, son­dern dass sie den zen­tra­len Bestand­teil seiner Arbeit darstellen.

Die [Tech­nik] funk­tio­niert nur nicht oder macht Schwie­rig­kei­ten, wenn tech­ni­sche Pro­bleme vor­lie­gen, wenn IT Sys­teme aus­fal­len oder andere Stö­run­gen, die die Auto­ma­ti­sie­rung dann lahm­le­gen oder nega­tiv beein­träch­ti­gen. Ansons­ten eigent­lich nicht. (Inter­view 5)

Es wurden Dinge mit ein­an­der ver­bun­den, die vorher nie ver­bun­den waren. Das führt dazu, dass bei klei­ne­ren Stö­run­gen Assis­tenz nötig wird. (Inter­view 7)

Die War­tung der Anla­gen ist nach einem sys­te­ma­ti­schen Pro­gramm und Ter­min­plä­nen getak­tet. Mit zuneh­men­dem Alter der Anla­gen fallen jedoch unge­plant Stö­run­gen und damit War­tungs- und Instand­hal­tungs­maß­nah­men an, die die eigent­li­che Arbeit unterbrechen.

Sie werden im zuneh­men­den Maße aus dieser Sys­te­ma­tik durch aktu­elle Stö­run­gen raus­ge­drängt, wo Sie dann erst­mal etwas ande­res machen müssen. Trotz­dem ver­su­chen Sie, in die Sys­te­ma­tik der Anla­gen­war­tung wieder rein­zu­kom­men. In dem Maße wie Anla­gen älter werden, ihre Aus­fall­rate höher werden, haben Sie zuneh­mend die Feu­er­wehr­ak­tio­nen, wo Anla­gen unge­plant in die Stö­rung gehen und Sie sich um diese Anla­gen küm­mern müssen, aber das andere Auf­ga­ben­pro­fil bleibt par­al­lel dazu bestehen. (Inter­view 2)