Arbeitszeit
Die Produktion läuft in einem kontinuierlichen vorwärtsrotierenden Drei-Schicht-Modell in 8-Stunden-Schichten (Früh/Spät/Nacht) sowie parallel in einem Wechselschichtmodell ohne Nachtschicht. Darüber hinaus werden zehn Teilzeitmodelle in Schichtarbeit und zahlreiche Teilzeitmodelle in Normalschicht realisiert, um auf individuelle Bedürfnisse der Beschäftigten so gut wie möglich einzugehen. Zusätzlich wird versucht, neben feststehenden Modellen auch individuelle Modelle zu ermöglichen. Wenn es persönliche Umstände erfordern (eigene Gesundheit, Pflege von Angehörigen o.ä.), gibt es die Möglichkeit, für ein Jahr befristet in Wechselschicht zu gehen. Es gibt ein Kontingent an Wechselschichten, das durch zeitliche Befristung und Wechsel immer wieder anderen Beschäftigten die Möglichkeit gibt, ohne Nachtschicht zu arbeiten. Es wurden verschiedene Schichtmodelle erprobt. Nach einer Phase mit 12-Stunden-Schichten stieg der Krankenstand, so dass auf ein 8-Stunden-Modell zurückgegangen wurde. Dies erwies sich für die Gesundheit der Beschäftigten als zuträglicher. Die Wochenarbeitszeit liegt bei 36 Stunden und die Beschäftigten haben Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr.
Hinsichtlich sozialer Verträglichkeit bei Schichtarbeit ist viel passiert, Rückgang von 12h- auf 8h-Schichtmodellen, Sonderschichtmodelle für Ältere. (Interview 2)
Wir haben sehr komplexe Teilzeitsysteme. Wir haben Schichtarbeit in Teilzeit, Normalschicht in Teilzeit. Haben alleine in der Schichtarbeit 10 Teilzeitmodelle, in der Normalschicht unendliche viele Teilzeitmodelle. (Interview 4)
Die Flexibilisierung des Schichtsystems war auch Folge der Automatisierung – so soll den Bedürfnissen der kleiner gewordenen Teams bei der Einsatzplanung gerecht werden.
Zeit- und Leistungsdruck
Art und Ursache von Zeit- und Leistungsdrucks haben sich verändert. Da die Bestückung der Anlagen von Hand erfolgte, waren die Beschäftigten auch dafür verantwortlich, wie schnell eine Anlage be- und entladen wurde. Im Laufe der letzten Jahre, auch schon vor der Automatisierung, wurden die Durchlaufzeiten immer kürzer, die Anzahl der Anlagen größer und damit der Zeitdruck höher.
Das ist etwas, wo man auch schon manchmal gehört hatte von den Mitarbeitern, dass sie durchaus froh sind, dass sie das nicht mehr erleben mussten. Diese kurzen Prozesszeiten unter dem Stress […] Als ich anfing, hatte ein Mitarbeiter vier Öfen zu beladen aber ohne Automatisierung ist das auch langsam auf fünf, sechs gestiegen, also die mussten dann auch schon immer mehr. (Interview 7)
Neben der Einstellung der Lose war die Eingabe von Daten in die Anlage manuell erforderlich, was mit zunehmender Durchlaufzahl eine weitere Belastung darstellte.
Teamleiter und Fachkräfte, die in der Linie waren haben gesagt, dass sie bestimmte Abläufe, alles eintippen, dass sie das nicht mehr schaffen könnten, wenn das nicht durch diesen Automatismus, ich stell alles drauf, der liest den Tag, der meldet das an und macht den ganzen Kram für mich, ohne dass ich tippen muss. Die haben alles eingegeben, mussten dabei noch Obacht geben, richtige Kennnummer, wie viel Scheiben drin sind, darfst du nichts verwechseln. (Interview 7)
Ein weiterer Aspekt von Leistungsdruck ist im großen finanziellen Wert eines Loses zu sehen. Manueller Transport und Bestückung der Anlagen waren immer auch mit dem Risiko verbunden, ein Los fallen zu lassen und damit einen finanziellen Schaden anzurichten. Auch können durch die Automatisierung und Rückkopplung mit dem System Fehler der Beschäftigten (z. B. bei der Eingabe von Informationen in die Anlagen; Vergessen von Teilschritten) vermieden werden, was als Entlastung erlebt werden kann.
weil die Fenster, wo sie die Lose reinstellen müssen, sehr klein sind. Man muss aber auch Obacht geben beim Hand rausziehen, da sind Lose oft mal runtergefallen. Nicht schön aber man kann man den Leuten aber kein Vorwurf machen, weil die Maschine von der Ergonomie her ganz gruselig gestaltet ist. (Interview 7)
Auch wenn mich das System darauf hinweist, ich hab es jetzt auf die falsche [Anlage] gestellt, dass das nicht alleine startet. Das ich keinen Fehler mehr machen kann. Also auch das haben die Leute am Ende doch als positiv aufgefasst. (Interview 7)
Die Bestückung übernehmen jetzt die Roboter. Leistungsdruck ist dennoch da und wird durch die Automatisierung möglicherweise größer. Zum einen weil dieses komplexe technische System zentral für den Produktionsprozess ist und dafür gesorgt werden muss, es am Laufen zu halten. Zum anderen produziert die Automatisierung kontinuierlich hohe Takt- und Durchlaufzeiten, an die sich die Beschäftigten anpassen müssen.
Was ich mir vorstellen kann, ist eine Annahme meinerseits, aber dadurch, dass die Automatisierung immer weiter fortschreitet und damit natürlich immer einen größeren Einfluss auf den eigentlichen Fertigungsfluss hat, dass alle die, die in irgendeiner Weise involviert sind in die Wartung, Instandhaltung, Betrieb dieses Systems unter einem gewissen Druck stehen. D.h. ich muss das System immer sicherer machen und im Falle eines Ausfalls muss der erste Schritt auch sitzen, damit die Auswirkungen auf die Fertigung so gering wie möglich sind. Hinter jeder Fertigung steht ein Kunde. Wir haben ja feste Verträge, feste Liefertermine. Und danach wird unsere Fertigung gesteuert. (Interview 6)
Neuer Leistungsdruck entsteht auch durch die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen.
Aber der Druck, der noch da ist, ist in dem Überwachungsaufwand. Ständig den Blick darauf haben, tut meine Anlagen wirklich das, was sie tun soll. Und wenn sie es nicht tut, treffe ich die richtige Entscheidung, damit sie es wieder tun kann. Da können schon Drucksituationen oder anspruchsvolle Situationen für einzelne Personen manchmal entstehen oder das Thema Angst vor Fehlern, dass ich jetzt gerade bei neuen Systemen die richtige Entscheidung treffe.
Dabei spielt der Kostendruck eine entscheidende Rolle. Wenngleich die Lose nicht mehr aus der Hand fallen können, bleibt der finanzielle Druck erhalten:
Jede Minute ist viel Geld. Wenn die Maschine nicht beladen wird und das Material steht da, aber der Roboter hat ein Problem. Das heißt, es muss so schnell wie möglich reagiert werden, um den Zeitverlust/Kapazitätsverlust zu minimieren. Der wird nicht zurückgeholt, die Zeit ist vorbei. Je teurer die Maschine/Anlage ist, umso wertvoller ist die Minute oder Stunde. Die Leute wissen das, sie sind unter dem Gesamtdruck. (Interview 7)
Performance-Daten werden teambezogen, nicht personenbezogen ausgewertet. Zeitvorgaben gibt es nicht, auch kein Leistungsentgelt. Allerdings wird Leistungserbringung der Mitarbeiter*innen verglichen und ggf. durch Führungskräfte hinterfragt.
Außerdem hat eine Verdichtung von Aufgaben hat stattgefunden, es werden inzwischen fast doppelt so viele Anlagen bedient wie vor der Automatisierung.
Für Großteil der Mannschaft ist es „normales Tagesgeschäft“, dass sie Anlagen zu warten und Entscheidungen zu treffen haben aber die Anzahl der Anlagen, die sie betreuen müssen hat deutlich zugenommen (Interview 2)
Mehr Feuerwehraktionen, also von einer Störung zur anderen rennen und damit keine Zeit für systematische Fehleranalyse (Interview 2)
Dies hat auch für die Wartung und Instandhaltung Konsequenzen, die mehr Anlagen als früher zu betreuen haben.
Nicht zu vergessen ist im Zusammenhang mit Zeit- und Leistungsdruck die Phase der Umstellung selbst, die durch einen Mehraufwand an Arbeit gekennzeichnet war.
Störungen und Unterbrechungen
Die Mensch-Maschine-Interaktion läuft nicht immer reibungslos. So treten Störungen auf, wenn beispielsweise der Interaktionsraum der Roboter durch den Menschen beeinträchtigt wurde und es zum kurzzeitigen Stehenbleiben kommt. Auch Stromschwankungen, auf die die Anlagen sehr empfindlich reagieren, sowie technische Defekte können zu Störungen führen. Das Besondere ist, dass Störungen nicht die eigentliche Arbeit des Beschäftigten in der Linie unterbrechen, sondern dass sie den zentralen Bestandteil seiner Arbeit darstellen.
Die [Technik] funktioniert nur nicht oder macht Schwierigkeiten, wenn technische Probleme vorliegen, wenn IT Systeme ausfallen oder andere Störungen, die die Automatisierung dann lahmlegen oder negativ beeinträchtigen. Ansonsten eigentlich nicht. (Interview 5)
Es wurden Dinge mit einander verbunden, die vorher nie verbunden waren. Das führt dazu, dass bei kleineren Störungen Assistenz nötig wird. (Interview 7)
Die Wartung der Anlagen ist nach einem systematischen Programm und Terminplänen getaktet. Mit zunehmendem Alter der Anlagen fallen jedoch ungeplant Störungen und damit Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an, die die eigentliche Arbeit unterbrechen.
Sie werden im zunehmenden Maße aus dieser Systematik durch aktuelle Störungen rausgedrängt, wo Sie dann erstmal etwas anderes machen müssen. Trotzdem versuchen Sie, in die Systematik der Anlagenwartung wieder reinzukommen. In dem Maße wie Anlagen älter werden, ihre Ausfallrate höher werden, haben Sie zunehmend die Feuerwehraktionen, wo Anlagen ungeplant in die Störung gehen und Sie sich um diese Anlagen kümmern müssen, aber das andere Aufgabenprofil bleibt parallel dazu bestehen. (Interview 2)