4.2.1.2 Entscheidungsspielraum/Verantwortung (ARBEITSINHALT, ARBEITSAUFGABE)

Das Ein­grei­fen des Men­schen wird zuneh­mend als Stör­fak­tor gese­hen, was seinen Ent­schei­dungs­spiel­raum durch zuneh­mende Stan­dar­di­sie­rung von Abläu­fen ein­schränkt – zumin­dest mit Blick auf die Beschäf­tig­ten in der Produktion.

Zuneh­mend weni­ger, dass sie nach eige­nem Ermes­sen irgendwo ein­grei­fen. Es wird immer mehr stan­dar­di­siert, wir geben die Abläufe vor. Die sollen eigent­lich dort nicht mehr ein­grei­fen, weil in 90% der Fälle der nega­tive Ein­fluss größer ist als der posi­tive. (Inter­view 5)

Die Rei­hen­folge zur Bear­bei­tung der Lose ist vom System vor­ge­ge­ben durch die Ver­füg­bar­keit der Anla­gen und die Prio­ri­tät der Lose. Es bleibt wenig Ent­schei­dungs­spiel­raum, in wel­cher Rei­hen­folge vor­ge­gan­gen wird. Auch werden Hand­lungs­not­wen­dig­kei­ten durch Stö­rungs­mel­dun­gen des Sys­tems vorgegeben.

Das war in der vor­her­ge­hen­den Zeit nicht so, da hatten die Leute eine Aus­wahl­mög­lich­keit. Die haben einen Bild­schirm gehabt, da waren die zu bear­bei­ten­den Lose und Wafer drin, das war auch schon nach Prio­ri­tät sor­tiert aber ich musste die Prio­ri­tät nicht ein­hal­ten und eigne Ent­schei­dun­gen tref­fen und ihr Erfah­rungs­wis­sen hat dabei gehol­fen, z. B. die Anla­gen besser zu belas­ten. (Inter­view 7)

 

…wenig Gestal­tungs­frei­raum, wenig Ermes­sens­spiel­raum, wenig bis gar keine Krea­ti­vi­tät. (Inter­view 1)

Ebenso gibt es Hand­lungs­hil­fen, Not­fall­kon­zepte und Vor­ga­ben für Störungsfälle.

Was das Pro­blem ist, bekommt er ange­zeigt, das kann er vom Leit­stand ein­se­hen, da bekommt er mit, was ist jetzt das Pro­blem. Und die Leute sind so qua­li­fi­ziert, dass sie bestimmte Fehler selber behe­ben können und bestimmte Fehler wei­ter­de­le­gie­ren an Bereit­schaf­ter oder das Sup­port­team. (Inter­view 5)

Eine mög­li­che Folge dessen ist, dass die Beschäf­tig­ten die Ver­ant­wor­tung für bestimmte Vor­gänge an die Maschi­nen abge­ben, dass „Mit­den­ken“ anders funktioniert:

Es war erschre­ckend, wie schnell die Leute ver­lernt hatten, wenn sie uns z. B. diese Regel­werke wie ich Lose ordere damit ich die Anlage mög­lichst geschickt aus­laste, das haben sie uns erzählt und gege­ben und teil­weise hat jemand das sofort so kodiert und als es dann lief haben wir es pro­duk­tiv laufen lassen. Und dann fiel das aus und Mit­ar­bei­ter sollte selber wei­ter­ma­chen und wusste es schon nach drei Mona­ten nicht. Also sie haben sich sehr schnell von den Auf­ga­ben ver­ab­schie­det, weil es ja dann das System gemacht hat. (Inter­view 7)

Gleich­zei­tig wird berich­tet, dass die Ver­ant­wor­tung der Beschäf­tig­ten in der Linie wächst, wenn in bestimm­ten Situa­tio­nen (z. B. bei gleich­ran­gi­gen Stö­run­gen) eigene Ent­schei­dun­gen getrof­fen werden müssen. Dabei wird darauf hin­ge­wie­sen, dass diese von wirt­schaft­li­cher Rele­vanz sind, was mit einem Leis­tungs­druck ein­her­ge­hen kann. Dazu kommt, dass – wie dies für alle Über­wa­chungs­ar­beits­plätze cha­rak­te­ris­tisch ist – Infor­ma­tio­nen pha­sen­weise aus­blei­ben und dann mit­un­ter mas­siert auf­tre­ten. Wei­tere Ent­schei­dun­gen betref­fen Situa­tio­nen, in denen Abwei­chun­gen in den Kon­troll­pro­zes­sen offen­sicht­lich werden und über das wei­tere Vor­ge­hen zu ent­schei­den ist (ein­grei­fen oder nicht; in wel­chem Umfang und an wel­cher Stelle eingreifen).

Ich hab in einem Work­cen­ter drei Anla­gen, die brau­chen einen Instand­hal­ter, weil was repa­riert werden muss. Aber ich habe nur einen. Dann muss natür­lich die Füh­rungs­kraft in der Schicht prio­ri­sie­ren, was zuerst gemacht werden soll. Das ist ein Punkt, wo sie ent­schei­den müssen. (Inter­view 5)

…emp­fin­den die Leute jetzt als anstren­gen­der, dieses mehr an Ver­ant­wor­tung, das alles ohne Stö­run­gen abläuft. Das ist für sie neu. (Inter­view 7)