In der IKT-Branche ist die Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung und Qualifikation ein bekanntes Phänomen, das sich durch den technologischen Wandel noch verstärkt hat. Arbeitsaufgaben, die im Zusammenhang mit der Automatisierung anfallen, werden zunehmend anspruchsvoller, da die Systeme und entsprechend ihre Wartung und Fehlerbehebung anspruchsvoller und komplexer werden. Auch die Bereitstellung der Automatisierung und Digitalisierung bringt für die Beschäftigten neue Aufgaben mit sich.
„Den Menschen wird es brauchen, aber mit einer anderen Ausprägung der Aufgabe. Bisher war es eben so, ich hatte einen Datenbankadministrator, der kannte halt seine Datenbank in- und auswendig und war der absolute Fachmann und der muss natürlich jetzt zusätzlich oder sollte in der Lage sein, diese Schnittstellen zu automatisieren, das ist die eine Herausforderung. Sozusagen ein zusätzliches Skill, was erforderlich ist, eine zusätzliche Fähigkeit.“ (Interview 6)
Aber auch das Tempo der Veränderungen stellt eine Herausforderung an die Qualifikationsanforderungen dar, da sich technologische Neuerungen schnell im Wissensstand der Beschäftigten abbilden müssen. Dazu kommt, dass bestimmte spezifische Kenntnisse obsolet werden können und sich die betroffenen Beschäftigten Wissen auf neuen Gebieten aneignen müssen. Das betrifft zum Beispiel Berufsgruppen wie Softwareentwickler*innen und Systemingenieur*innen.
„Also das gibt es auch, dass einige Kollegen, gerade die, die sagen, das habe ich auch in Wiedereingliederungen, die sagen „ich schaff das nicht mehr, immer auf dem aktuellsten, auf dem neusten Stand zu bleiben. Das geht so rasant schnell“. Gerade vielleicht auch Kollegen, die früher ganz spezielles Know-How, oder auf eine Technologie, die mittlerweile veraltet ist, dann umzuschwenken und nochmal mit den eigenen Anforderungen, die man hat, da selber auch wieder so tief reinzusteigen.“ (Interview 1)
„Das heißt, die Geschwindigkeit, die unsere Kunden haben, die überträgt sich auf uns. Genauso müssen wir, eigentlich viel schneller reagieren und dieses Wissen auch bei unseren Leuten reinkriegen. Das ist eigentlich die große Herausforderung […] und natürlich typischerweise auch ein Problem für die Mitarbeiter, diese Wissenszyklen, die werden immer schneller“ (Interview 3)
Zwar sind bei den Software-Entwickler*innen durch die zunehmende Bedeutung von Software-Konfiguration bei gleichzeitigem Rückgang der Software-Entwicklung technische Qualifikationen weiterhin erforderlich. Dennoch kommt es bei ihnen zu einer deutlichen Veränderung des Aufgabenprofils, die zu Unterforderung führen kann. Auch fällt ein Alleinstellungsmerkmal weg, was Auswirkungen auf den berufsbezogene Selbstwert sowie Fragen nach der beruflichen Orientierung haben kann.
„Und dann gibt es manche Leute, die sagen, ja, das ist super, dass ich jetzt nicht mehr eine Woche auf irgendwas warten muss und für die Leute, die in der Vergangenheit das mit sehr viel Kompetenz zusammengebaut haben, für die fällt dann irgendwie so ein Alleinstellungsmerkmal weg. Weil die haben das natürlich toll gemacht, aber (schnipst), das macht jetzt Amazon ganz alleine. Das… also da kann ich Ihnen gar nicht so richtig sagen, wie da… man redet darüber nicht so sehr“ (Interview 4)
Dass Hardware zunehmend auch im Software-Bereich von Bedeutung ist, führt dazu, dass auch Software-Spezialist*innen über einen gewissen Grad an Wissen zu Hardware benötigen (z.B. darüber, welche Sensoren gerade auf dem Markt sind).
Die Beschäftigten müssen sich neue Skills aneignen, die die zunehmende virtuelle Kommunikation betreffen, die andere Anforderungen stellt als persönliche Kommunikation (z.B. Auskommen ohne nonverbale Signale, mehr Disziplin und klare Artikulation bei Telefonkonferenzen mit mehreren Teilnehmern in einem Raum).
Die Automatisierung von Prozessen führt auch dazu, dass die Beschäftigten, vor allem im Bereich mit Kund*innen, sich stärker auf die Prozesse beim Kund*in konzentrieren können und damit noch mehr soziale Kompetenzen erforderlich sind. In den Interviews wird deutlich, dass Softskills im Allgemeinen immer wichtiger werden (Kommunikation, Argumentation).
„Man beobachtet es überall ein Stückchen, ein Abstraktionslevel höher – vorgefertigte Dinge, vorgefertigte Leiterplatinen, vorgefertigte Chips, vorgefertigte Software und so weiter, das ist bei uns auch so. Und damit kommt natürlich der, der am Kunden arbeitet, immer näher an den Kunden ran und kann sich immer mehr mit Kundenthemen beschäftigen und weniger mit infrastrukturellen Dingen.“(Interview 2)
Durch die Notwendigkeit, stärker bereichsübergreifend zu arbeiten müssen die Beschäftigten zunehmend ein Verständnis für die Aufgaben und Anforderungen sowie Abläufe in Bereichen entwickeln, in die sie bis dahin noch nicht involviert waren und die damit neue, z.T. fachfremde Kenntnisse erfordern.
Um zu unterstützen, dass die Beschäftigten sich für ihre neuen Aufgaben qualifizieren, werden sie frühzeitig in Veränderungsprojekte involviert und können mitgestalten. Das bedeutet aber (phasenweise) eine Zunahme der Aufgaben, wenn neben dem Tagesgeschäft Veränderungsprojekte initiiert und durchgeführt werden, für die keine zusätzlichen Beschäftigten eingestellt werden (z.B. Suche nach Anbieter Telefonanlage).
Auch findet eine Job Rotation statt, d.h. die Beschäftigten wechseln für einen bestimmten Zeitraum den Arbeitsbereich im Unternehmen und lernen so andere Tätigkeiten kennen und eignen sich Fertigkeiten an.
Darüber hinaus können sie sich Wissen auf Fortbildungen in Form von Tagungen und Konferenzen aneignen. Die Auswahl geeigneter Formate und Inhalte können die Beschäftigten selbst treffen. Dies erfordert jedoch auch Eigeninitiative der Beschäftigten.
Sich auf die Veränderungen einstellen zu können, stellt eine weitere Belastung für die Beschäftigten dar. Nicht alle Beschäftigten sind dazu bereit oder in der Lage. Es finden sich ältere Mitarbeiter*innen, die sich mit Blick auf Altersteilzeitregelungen dem Thema entziehen können. Für andere, jüngere Mitarbeiter*innen, wird hier perspektivisch noch eine Herausforderung für das Unternehmen bestehen, wenn sie längerfristig nicht mit den Veränderungen zurechtkommen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die mit der Arbeit verbundenen Anforderungen hoch sind.
„Und da haben wir ein ganz interessantes Phänomen, was genau eigentlich in diese Richtung deutet, nämlich einerseits sagen die Mitarbeiter, dass die Belastung immer weiter ansteigt, also dass so Fragen wie „Sind die Anforderungen, die du bekommst, anspruchsvoll?“ das steigt immer weiter an. Auf der anderen Seite sagen die Mitarbeiter aber auch in diesen Befragungen „ich habe alle nötigen Informationen, die ich brauche, um meine Aufgaben zu erfüllen.“ (Interview 3)